FRIEDRICH DEICH
Paul Leopold Friedrich besucht Louis Pasteur
im Jahre 1786 wurde ein Lehrstuhl für Chirurgie und Augenheilkunde
an der Marburger Universität errichtet. Der zehnte in der Genealogie
der Marburger Ordinarien für Chirurgie war Paul Leopold Friedrich, geboren am 26. Januar
1864 in Roda (Thüringen). Er promovierte 1888 in Leipzig und
wurde anschließend zunächst Assistent von Robert Koch.
Dieser Ausflug in die Bakteriologie hat die Forschungsarbeit des späteren
Chirurgen nachhaltig beeinflußt, denn seine Weltgeltung als
Vertreter der Allgemeinen Chirurgie liegt in der Art und Weise, wie
er die Bedeutung der Wundinfektion und ihrer Behandlung hervorhob.
Von ihm stammt die Erkenntnis der 8-Stundengrenze für den Erfolg
der Wundexzision. Diese erste Phase seines Lebens, die bakteriologisch-chirurgische,
hatte zwei praktische Ergebnisse, die heute schon beinahe vergessen
sind: die als "Friedrische Wundexzision" allgemein eingeführte
Versorgung infizierter Wunden, und die Einführung der Gummihandschuhe.
Beide "Erfindungen" haben vermutlich im ersten Weltkriege unzähligen
Soldaten das Leben gerettet. Friedrich lehrte, die Wundränder
"bis in das gesunde Gewebe" hinein zu exzidieren, so daß sich
kein Gasbrand bilden konnte. Heute, da man die Gasphlegnome mit Heilserum
und Chemotherapie bekämpfen kann, erinnert man sich kaum noch
daran, daß im ersten Weltkrieg der radikale chirurgische Eingriff
die Methode der Wahl war, um den Gasbrand zu verhüten. Die Erreger
des Gasbrandes gehören zu den Anaerobiern (Anaerobiose = Leben
ohne Sauerstoff). Die Gasbrandbazillen zersetzen unter den von der
Luft abgeschlossenen Wundrändern, vor allem bei Kriegsverletzungen,
das Gewebe unter Gasbildung. Wird der Wundrand nicht breit eröffnet,
so daß keine Luft in das infizierte Gewebe eindringen kann,
kann der Gasbrand durch Sepsis und Toxinbildung rasch zum Tode führen. |
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Die zweite Lebensphase des Chirurgen Paul
L. Friedrich ist durch sein Interesse für die Thorax-Chirurgie
gekennzeicdhnet. Ferdinand Sauerbruch hatte in Breslau uner Johann
v. Mikulicz-Radecki sich mit der Erfindung der "pneumatischen Kammer"
hervorgetan, als sein Chef im Jahre 1905 überraschend starb.
Sauerbruch hatte sich gerade habilitiert, mußte sich aber nach
einem neuen Wirkungskreis umsehen, da der Nachfolger von Mikulicz,
Professor Karl Garré, wie es früher üblich war, seine
eigenen Oberärzte nach Breslau mitbrachte. Paul
L. Friedrich, damals Ordinarius in Greifswald, bot Sauerbruch
eine Oberarztstelle an, und dieser nahm an. Als Friedrich 1907 einen Ruf als Ordinarius für
Chirurgie nach Marburg annahm, folgte Sauerbruch ihm nach. Sauerbruch
übernahm die Leitung der Poliklinik und wurde ein Jahr danach
unter Friedrich Professor.
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In Marburg war damals auch Ludolph Brauer tätig.
Er und Friedrich befaßten sich aufgrund der Arbeiten des Italieners
Carlo Forlanini (1847-1918), dem Erfinder des künstlichen Pneumothoras
mit der Thoraxchirurgie. 1907 wurde in Marburg die erste "radikale
Thorakoplastik" von Paul L. Friedrich vorgenommen. Ferdinand Sauerbruch
sah dabei zu. Die "Entrippung" der ganzen Brustseite war ein zu schwerer
Eingriff. Er veranlaßte Sauerbruch, als er auf den Lehrstuhl
nach Zürich berufen wurde, "die paravertebrale Thorakoplastik"
vorzunehmen, bei der die Mortalität erheblich sank. Dennoch blieb
Paul L. Friedrich einer der Pioniere der Lungenchirurgie. Sein Lehrbuch
über die gesamte Thoraxchirurgie war fertig, als der erste Weltkrieg
ausbrach. Die Drucklegung konnte nicht mehr erfolgen. Es ging später
verloren. Paul L. Friedrich, Generalarzt
im ersten Weltkrieg, kam schwer erkrankt 1915 von der Front nach Königsberg
zurück, wo er 1911 das Ordinariat für Chirurgie übernommen
hatte. Hier starb er am 15. Januar 1916 an einer chronischen Schrumpfniere.
Sein Schüler Martin Kirschner feierte ihn in einem Nachruf als
kühnen Operateur und glänzenden Lehrer. |
In seinem "Bericht" über das Pasteur-Institut, der
offensichtlich für Robert Koch zur persönlichen Information
gedacht war, wird zunächst das Haus in der Rue Dutot in Paris
minutiös beschrieben. Zwei berühmte Abteilungsleiter werden
vorgestellt: Elias Metschnikow (1845-1916), der 1908 für seine
Arbeiten über die zelluläre Immunität den Nobelpreis
für Physiologie und Medizin erhielt, und Emile Roux (1853-1933),
der 1904 die Leitung des Pasteur-Instituts übernahm. Medizinisch-historisch
interessant ist die persönliche Begegnung des jungen deutschen
Mediziners Paul L. Friedrich mit dem damals populärsten
Mann Frankreichs, dem großen Louis Pasteur, der einige Jahre
zuvor die Entwicklung eines Impfstoffes gegen die Tollwut vollendet
hatte. |
"Um als Arzt das Institut Pasteur besuchen zu können",
beginnt Friedrich den Abschnitt "Persönliche Erfahrungen" seines
Berichtes, "bedarf es der persönlichen Erlaubnis Pasters.
Durch den Pförtner des Hauses mit Karte angemeldet, wurde ich
sofort in die "chambre de l'enregistrement" beim "service de la rage"
geleitet, in das Zimmer, in welchem Pasteur alltäglich in der
Zeit zwichen 10 1/2 und 12 Uhr anzutreffen ist, da sich keine Neuaufnahme
von Patienten und keine Impfung ohne seine persönliche Gegenwart
vollzieht. Pasteur empfing mich mit entgegenkommendem Wohlwollen.
Obgleich ihm das Sprechen, Stehen und Gehen nach zwei in den letzten
Jahren durchgemachten Hirnapoplexien schwer wird, theilte er mir sogleich
selbst verschiedene Einzelheiten des "service de la rage" mit und
gewährte mir einen Einblick in die Krankenjournalführung:
Datum und Lokalisation des Bisses, bereits nach der Verletzung erfolgte
Behandlung, Angaben über die Beschaffenheit des wuthkranken oder
wuthverdächtigen Thieres... waren die Hauptpunkte der anamnestischen
Erhebungen. Danach ließ mich Pasteur an der Injektionsbehandlung
der Patienten theilnehmen. Obgleich die Durchschnittszahl der Erkrankungsfälle
nach der Statistik des Institut Pasteur im Gegensatz zu den bisherigen
Annahmen im Oktober (1890), also zur Zeit meines Besuches gerade ihr
Mindestmaß zu erreichen pflegt, betrug die Zahl der Behandelten
doch gegen 60. Sie waren je nach Schwere und Alter der Krankheitfälle
und dementsprechend zu modifiierenden Stärke des Vaccins in drei
Gruppen getheilt..." |
Es folgen technische Einzelheiten über die Herstellung
des Impfstoffes gegen die Tollwut. Auch eine handschriftlich aufgeführte
Statistik ist dem Bericht beigegeben. Danach ist der Prozentsatz der
Sterblichkeit an Tollwut in den Jahren 1886 bis 1889 von 1,34 auf
0,54 gesunken. Diese Zahlen umfassen nur die Fälle von Tollwut,
bei denen die Diagnose experimentell bewiesen worden war. Bezieht
man die "verdächtigen" Fälle mit in die Statistik ein, so
kann man vermuten, daß die Mortalitätsziffer infolge der
Impfung sogar auf 0,26 Prozent gefallen war. |
Friedrich kommt zu einem
sehr günstigen Ergebnis der von ihm beobacheten "service de la
rage": "Eine stetig fortschreitende Zunahme günstiger Erfolge
läßt sich hiernach nicht leugnen, ebensowenig als ich hiernach
mich nach meiner kurzen Erfahrung zu einer Kritik berufen fühle...
Fasse ich zum Schluß den Gesamteindruck, den das Institut Pasteur
auf mich gemacht, noch einmal in wenige Worte zusammen, so ist es
der, daß man mit und in ihm einen Arbeits... (unleserlich) zur
Förderung der Erkenntnis und zum Heile der Menschheit geschaffen
hat, dessen genialer Aufbau rückhaltlose Anerkennung verdient.
Eine so scharfe Trennung der einzelnen Glieder in Gestalt der verschiedenen
Abtheilungen läßt sich in der Praxis selbstredend nicht
durchführen, als es nach der gegebenen Darstellung hin und wieder
den Anschein haben könnte. Jeder Chef bedarf nothwendig die Mithilfe
des anderen und alle sind erforderlich, um die erstrebte Gesamtwirkung
zu erzielen." |
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Dieser handschriftliche Bericht wurde nach damaliger
Sitte einem Sekretär diktiert, daher auch die vielen Auslassungen
und orthographischen Fehler. Angeheftet ist ein Bericht "Reise nach
England und Frankreich", die Paul
L. Friedrich mit eigener Hand niedergeschrieben hat. Die Handschrift
berrät hohes Niveau des Ordnungssinnes und einer künstlerisch-temperamentvollen
Bestimmtheit. Der Bericht stand zur "hohen Verfügung seitens
des Königl. Sächs. Kriegsministeriums, wonach die Zeit meines
Dienstes am Gesundheitamte auf ein weiteres Jahr verlängert wurde..."
Er hatte den Auftrag, sich einen Überblick über die Hauptinstituten
der praktischen bakteriologischen Forschung des Auslandes zu beschaffen.
Es geht aus diesem Schriftsatz hervor, daß Robert Koch ihn gebeten
hate, einen britischen Bakteriologe in London aufzusuchen, um herauszufinden,
weshalb die Arbeiten Kochs über den Erreger der Cholesra asiatica
abgelehnt hatte. Leider fehlt der Teil des Berichtes, aus dem hervorgeht,
was jener Londoner Bakteriologe gegen die Kochsche Entdeckung vorzubringen
hatte (die heute ohnehin gegenstandslos sein würde), noch was
aus der Begegnung Friedrichs mit jenem "Gegener des großen Robert
Koch" wurde. Der Bericht erschöpft sich in einer Aufzählung
und detaillierten Schilderung einiger Londoner Hospitäler. Der
größte Teil dieses Berichtes ist wieder in der steifen
Handschrift eines Sekretärs geschrieben. Allerdings wird er häufig
unterbrochen oder korrigiert von der charaktervollen Handschrift des
damals 36 Jahre alten Arztes Paul
L. Friedrich , der seine ganze Kraft gleichermaßen für
die Bakteriologie und die Chirurgie einsetzte, sicherlich zum Wohle
der Menschheit. |
Version : 10.01.2008 - Contents : Andreas
W Friedrich
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